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Keine Lust auf lesen, dann höre hier die Audioversion dazu an:
„Die alte Scheiße ist wenigstens warm“
Mein letzter Workshop drehte sich um den Sonnengruß, insbesondere um seine spirituelle Bedeutung, Symbolik und die individuelle Interpretation der Haltungen. Ein wundervoller Nachmittag mit inspirierenden Frauen.
Eine Teilnehmerin erzählte, dass sie als ehemalige Leistungsturnerin mühelos 20 Sonnengrüße durchführen könne. Ihre Herausforderung bestehe jedoch darin, in der Ruhe zu bleiben und ihre eigene Individualität in den Haltungen zu entdecken. Eine andere Teilnehmerin gestand, dass sie sich nie getraut habe, von der vorgegebenen Abfolge abzuweichen, aus der Sorge heraus, dass es falsch sei, wenn sie es nicht exakt nach Vorgabe macht.
Was hier deutlich wurde, ist ein weit verbreitetes Thema, das auch bei mir fest verankert ist, auch wenn es sich bei mir nicht mehr im Yoga zeigt. Wir haben gelernt zu funktionieren, um den Erwartungen anderer gerecht zu werden, anstatt auf unsere innere Stimme zu hören und unserer Intuition zu vertrauen. Oft verlieren wir dabei den Kontakt zu unseren wahren Bedürfnissen und dem, was uns tatsächlich erfüllt.
Ich habe die Fähigkeit, bis zum Umfallen arbeiten zu können und tatsächlich ist das bereits geschehen. Man kann mich zehn Stunden vor den Computer setzen, um Excel-Listen zu erstellen oder Strukturen anzulegen, und ich funktioniere. Es gab sogar mehr als nur wenige Gelegenheiten in meinem Leben, in denen ich ganze Nächte durchgearbeitet hatte.
Ist das gesund? Gibt es mir Energie? Macht es mir Freude? Nein. Nein und Nein.
Warum dann? Es gibt uns Sicherheit.
Viele von uns haben erlernt, funktionieren zu müssen. Durch früh erworbene Erfahrungen haben wir Ablenkungs- und Überlebensstrategien entwickelt, die uns scheinbare Sicherheit bieten. Wenn ich arbeite und Leistung erbringe, verspüre ich keine Notwendigkeit zu fühlen. Ich trenne mich von meinem Körper und seinen Bedürfnissen und spüre mich nicht mehr. Dieses Verhalten diente uns in jungen Jahren als Überlebensmechanismus. Darüber hinaus stamme ich aus einer Arbeiterfamilie, in der harte Arbeit stets hoch geschätzt und anerkannt wurde.
Allzu oft flüchten wir in diese vertrauten Methoden (Arbeit, Leistung, Anerkennung, Perfektion), obwohl wir wissen, dass sie uns eigentlich nicht guttun. Trotzdem fühlt sich unser System dabei sicher. Gelernt ist gelernt.
Eine Teilnehmerin brachte es dann auf den Punkt. „Die alte Scheiße ist wenigstens warm“. Und wie recht sie hat.
Wir sitzen manchmal lieber in der alten warmen Scheiße, als uns auf etwas Neues einzulassen.
Und machen wir uns nichts vor, es ist sowas von f…anstrengend, all das doch so altbewährte dienliche und nützliche sein zu lassen und stattdessen Neues zu erlernen und zu überlernen. Besonders wenn es darum geht, den eigenen Bedürfnissen zu folgen.
Ist unser Leben wirklich noch bedroht, wenn wir auf unseren Körper hören? Wenn wir uns hinlegen, wenn wir müde sind? Wenn wir im Yoga einen Stuhl wählen, statt uns zwanghaft auf den Boden zu setzen? Wenn wir uns für eine sanfte Haltung entscheiden, statt uns mit einer anspruchsvollen Position zu quälen?
Es geht nicht darum, zwangsläufig das Alte vollständig aufzugeben, sondern vielmehr darum, bewusst auszuwählen, was uns tatsächlich stärkt und bereichert – im Gegensatz zu dem, was uns schadet, obwohl es einst überlebenswichtig für uns war. Brauchen wir das wirklich noch oder kann das weg?
Schritt für Schritt dürfen wir neue Wege erkunden. Dies erfordert Mitgefühl für uns selbst und den Mut, alte Muster loszulassen, um Raum für Neues zu schaffen.
Wie du lernst dich wieder zu spüren.
Wenn du tiefer in dieses Thema eintauchen und Wege finden möchtest, wie du dich wieder spüren und mit deinen inneren Bedürfnissen in Einklang bringen kannst, dann lade ich dich herzlich zu meinem Yoga-Basiskurs ein. Hier kannst du die Werkzeuge und Praktiken erlernen, die dir helfen, alte Verhaltensmuster zu durchbrechen und bewusster in deinem Leben zu agieren. Lass uns gemeinsam den Weg der Selbstentdeckung beschreiten und den Komfort der alten Gewohnheiten hinter uns lassen.