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Übungen anpassen statt sich anpassen: Kenne deine Bedürfnisse

"Yoga passt sich dem Menschen an und nicht der Mensch passt sich dem Yoga an“

Übungen anpassen statt sich anpassen: Kenne deine Bedürfnisse

Yoga passt sich dem Menschen an und nicht der Mensch passt sich dem Yoga an“

Zitat von Krishnamacharya

Viele Yogaschulen werben mit diesem weisen Zitat von Krishnamacharya. Zu Recht, denn in der heutigen hektischen Welt, in der viele von uns die meiste Zeit sitzend und mit wenig Bewegung verbringen, ist es wichtiger denn je, dass wir unsere Yogapraxis den Bedürfnissen unseres Körpers anpassen – und nicht umgekehrt. Während ein Yogi in Indien, der seit der Kindheit Yoga praktiziert, eine natürliche Flexibilität entwickelt hat, sieht der Alltag vieler von uns anders aus. Viele Menschen hier verbringen die überwiegende Zeit am Schreibtisch. Wenn nicht dort, dann vor dem Fernseher. Wir sitzen viel und bewegen uns wenig. Unsere Bedürfnisse sind daher anders als die eines indischen Yogis und so vielfältig wie die Menschen selbst. Eine Person, die acht Stunden im Büro sitzt, hat körperlich und geistig andere Anforderungen als jemand, der täglich Dächer deckt oder in der Pflege arbeitet. Harte körperliche Arbeit steht hier im Gegensatz zur Bürotätigkeit.

Den eigenen Körper kennen und verstehen lernen

Um Yogahaltungen, sprich Asanas an dich und deine Bedürfnisse anzupassen, ist es entscheidend, deinen Körper zu kennen und zu verstehen. Dafür braucht es Aufmerksamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit – Achtsamkeit gegenüber dir selbst und deinem Körper. Was verlangt dein Körper in diesem Moment? Wonach sehnt sich dein Geist? Diese Beobachtungen können sehr unterschiedlich ausfallen.

Vielleicht sagt dir dein Geist: „Hey, jetzt raff dich auf, du hast den ganzen Tag nur herumgesessen. Sei nicht so faul. Da geht noch was!“ Doch gleichzeitig könnte dein Körper flüstern: „Ich möchte mich hinlegen, mich ausruhen. Ich brauche Entspannung.“

Genauso könnte es sein, dass dein Geist nach Ruhe ruft, während dein Körper signalisiert: „Ich fühle mich steif, kraftlos, und müde – eine Runde Radfahren würde mir jetzt guttun.“

Wer hat nun Recht? Wie so oft, keiner von beiden ganz. Die Wahrheit liegt darin, einen Ausgleich zu finden. Es geht nicht darum, das eine oder das andere als richtig zu betrachten, sondern darum, zu lernen, die Unterschiede wahrzunehmen und eine Balance zu schaffen.

Steif oder flexibel?

Nehmen wir ein Beispiel aus der Yogapraxis. Es ist ratsam mit der Ebene des Körpers zu beginnen. Hier ist bekanntlich die Tür, durch die wir den Einstieg zu uns selbst finden. Grundsätzlich können wir körperlich von zwei Hauptmerkmalen ausgehen. Steif oder flexibel? Eingerostet oder hypermobil? Das gilt es zu unterscheiden.


Wenn du eher der Typ bist, dessen Körper unbeweglicher ist – der in der Vorbeuge nicht einmal mit den Händen den Boden erreicht oder im Liegen die Arme zwar über den Kopf, aber nicht weiter bekommt – herzlichen Glückwunsch! Ja, das ist tatsächlich ein Grund zur Freude. Vielleicht glaubst du das nicht sofort, da Yoga-Zeitschriften voll sind mit Bildern von extrem flexiblen Menschen, die sich verbiegen und verbeugen oder ihre Arme hinter den Rücken kreuzen können. Doch ist diese Flexibilität immer gesund?

Auch das ist pauschal nicht zu beantworten. Dazu müsste man jeden dieser Körper und den Menschen dahinter genauer betrachten. Es ist aber so, dass du einen großen Vorteil hast, wenn du eher zu der Kategorie steifer Typ gehörst. Wir sprechen hier weiterhin von der körperlichen Ebene, nicht von der geistigen – Steifheit des Geistes ist ein ganz anderes Thema! Steifere Körper – wobei es hier natürlich Ausnahmen gibt – haben oft eine gesündere Grundlage für ihre Gelenke. Steif heißt nämlich auch, die Muskulatur ist von Natur aus etwas kräftiger ausgebildet oder eben gut trainiert. Die Gelenke sitzen in einem festen Korsett. Sie bekommen Halt und Schutz. Eine kräftige Muskulatur, die uns etwas unbeweglicher werden lässt, schützt also die Gelenke. Und das ist doch mal ein Grund zu Freude. Es ist also keinesfalls schlecht, falsch oder unpassend wenn Du körperlich unbeweglicher bist, als Andere. Es ist bei den Yogateilnehmern immer wieder zu beobachten, dass Gelenksteife als negativ und Mobilität als positiv angesehen wird. Doch es ist wie immer eine Sache des Blickwinkels.


Bist Du nun eher der mobilere Typ, kannst Dich wunderschön in alle Richtungen verbiegen, deine Hände berühren nicht nur den Boden in der Vorbeuge, sondern du kannst sogar die ganze Hand auflegen und die Ellenbogen sind auch dabei gebeugt. Herzlichen Glückwunsch? Eher nein. Denn was heißt das? Es kann heißen, dass Du hypermobil bist. Es kann heißen, dass Du ein höheres Risiko hast, deine Gelenke zu schädigen, durch Instabilität, zu wenig Muskulatur, und auch Rheuma, Arthrose und Osteoporose können ein Risiko darstellen. Das Ziel sollte nun sein, ein Gleichgewicht herzustellen. Keines ist besser oder schlechter. Es kommt auf die Balance an, die Ausgewogenheit. Und das wiederum sollte sich im Üben widerspiegeln.

Das Ziel ist den Ausgleich schaffen: Übungsbeispiel “Die Schulterbrücke”



Bist Du nun eher die Kategorie „steif“, übe Dich an deiner Flexibilität. Du solltest deine Wirbelsäule aufrollen und abrollen. Wie bei einer Perlenkette. Wirbel für Wirbel aufrollen und Wirbel für Wirbel wieder abrollen. Übe dynamisch, langsam und achtsam. Den Blick nach innen gerichtet auf jeden einzelnen Bereich der Wirbelsäule. Das Ziel: Mobilität in der Wirbelsäule schaffen.

Bist Du der mobile Typ, brauchst Du keine Mobilität in der Wirbelsäule, die besitzt du schon. Dein Rücken benötigt Kraft. Also lege den Fokus auf die Kräftigung. Das heißt nicht aufrollen, sondern abheben. Das Gesäß, den unteren Rücken und den mittleren Rücken sanft nach oben heben, zwei Atemzüge halten und wieder absenken, nicht abrollen. Ich nenne die Übung gerne “kisten” – Kiste hoch, Kiste runter 🙂 Dann ist ziemlich schnell klar, was damit gemeint ist. Am Anfang übe dynamisch, dies fördert den Muskelaufbau.

Fazit: Deine Übungspraxis ist ein persönlicher Weg

Die weisen Yogameister werden nicht umsonst so oft zitiert, um wieder auf das eingangs genannte Zitat zurückzukommen. Denn das Wissen von damals steht der heutigen Zeit in keiner Weise nach. Die Kunst des Yoga liegt nicht darin, starre Ideale zu erfüllen, sondern darin, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören.

Nimm dir die Zeit, deinen Körper kennenzulernen, auf seine Signale zu achten und deine Praxis so zu gestalten, dass sie dir dient und nicht schadet. Denn nur so kann Yoga zu einem Weg werden, der dich wirklich weiterbringt – körperlich und geistig.

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